Marketing ist nicht nur SEO

Seit den siebziger Jahren hat sich die Welt des Marketing gewaltig verändert. Duh! Wir haben ja jetzt das Internet! Aber davon reden wir grad gar nicht. Die ganze Volkswirtschaft hat sich nach den Kriegsjahren mehrfach gewandelt. Märkte, die von Mangel geprägt waren, saugten alles auf, was irgendwie produziert werden konnte. Auch wenn in den Jahren des Wirtschaftswunders Teilbereiche befriedigt und Grundbedürfnisse gestillt wurden, war immer noch nahezu jeder Markt in Deutschland ein Wachstumsmarkt. Von der Werbung und von Marketing hing zwar der Marktanteil, nicht aber das Überleben der Unternehmen ab. Auch wenn Afri-Cola und Bluna weit hinter den Absatzzahlen von Coke und Fanta zurücklagen, konnten die damaligen Abfüller gut von den Verkäufen leben.

Mit den siebziger Jahren änderte sich alles. Märkte waren gesättigt. Erstmals gab es in Deutschland offiziell Arbeitslose. Jede zusätzlich verkaufte Flasche Bluna musste erst einmal eine Flasche Fanta aus den Einkaufswagen verdrängen, bevor sie verkauft wurde. Von da an wurde um jeden Zollbreit des Marktes mit jedem Jahr verbitterter gekämpft. Und dies gilt für alle Märkte.

Marketing blieb davon nicht unberührt. Bis zur Marktsättigung genügte ein bunter Strauß farbiger Broschüren, um ein Unternehmen als namhaft auszuweisen. Und das ist sprichwörtlich korrekt: potentielle Lieferanten konnten ihre Vertrauenswürdigkeit mit dem Vorhandensein einer dicken Prospektmappe dokumentieren. Mehr war nicht nötig. Fernseh-Werbespots, die bis heute im Gedächtnis blieben – Strahler Küsse schmecken besser (Zahncreme Strahler 70) oder Drei-Wetter-Taft – wurden hauptsächlich deshalb produziert, um Werbebudgets auch an das neue Medium Farbfernsehen zu verschleudern. Man konnte es sich sogar leisten, etablierte Marken wie Fakt (Waschmittel) oder Technicoll (Bastelklebstoff) einfach wieder sterben zu lassen.

Doch als die Lage sich änderte, in den achtziger und neunziger Jahren – da zog das Marketing nicht mit. Unbeirrt wurde weiter Geld in bunte Zettelchen und weitere 10 Jahre später auch in das neue Medium Internet gesteckt, es wurden Slogans ersonnen, Marken geschöpft und Logos kreiert. Die Wortschöpfungen aus den globalen Marketing-Abteilungen glichen bald einer eigenen Sprache, die schließlich als ‘Marketing-Sprech’ zumindest im deutschsprachigen Raum eine eigene Bezeichnung erhielt. Die Marketing-Auftritte waren zwar häufig gekonnt, durchdacht und von exzellenter Qualität – aber sie wurden zunehmend überflüssig.

Volker Boelsch hat in seinem Buch “Vergiss alles!: Wie Du mit neuen Methoden Deine Umsatzziele knackst – ohne Anstrengung!” – dem derzeit modernsten Ratgeber für strategischen Vertrieb – sehr eingängig formuliert, wieso Erfolg im Vertrieb nicht mehr von Gesprächsführung und Redegewandtheit abhängt, sondern von viel pragmatischeren Faktoren. Hauptsächlich muss dem potentiellen Kunden schnell und klar dargelegt werden, dass er es sich nicht leisten kann, NICHT zu investieren. Das komplette Marketing erhält dadurch eine völlig neue Aufgabe, und diese Erkenntnis ist an den Marketingbüros unseres Landes bisher erfolgreich vorbeigesegelt.

MARKETING ALS ERFÜLLUNGSGEHILFE DES VERTRIEBS

 

Sicher – es wird fleißig diskutiert über Reichweite und Markenwirkung, über Conversion Rates und Marktdurchdringung. Nur: Niemand will es wahrhaben, dass das Marketing damit eine eigene Suppe kocht, von der bloß niemand satt werden kann. Jedes Stück Papier und jede Landing Page müssen eigentlich ein Elevator-Pitch sein. Elevator-Pitch? Die Vorstellung dahinter ist die, dass in den dreißig Sekunden im Aufzug einem Entscheider eines Unternehmens die wichtigsten Punkte mitgeteilt werden, die ihn davon überzeugen, sich mit dem angebotenen Thema näher auseinanderzusetzen.

Marketing – und natürlich wehren die sich dagegen! – muss eigentlich zum Erfüllungsgehilfen des Vertriebs werden. Ist das Produkt ein ersetzbares Massengut? Dann muss die zentrale Werbeaussage per Gießkanne an möglichst viele Empfänger verteilt werden. Ist das Produkt innovativ und erklärungsbedürftig? Dann muss das Marketing Dokumente erschaffen, die nach einem Verkaufsgespräch die wichtigsten Punkte so wiedergeben, dass komplexe Sachverhalte verstanden und weitererklärt werden können.

Marketing-Abteilungen – und das ist auch heute noch überall verbreiteter Standard – führen eine Parallelexistenz in den Unternehmen. Sie machen ihr eigenes Ding, das seit 40 Jahren das gleiche ist, und nur jährlich wieder neu hübsch angepinselt wird. Niemand kommt auf die Idee, dies in Frage zu stellen. Es versteht sich von selbst, wieso das der Fall ist. Um Marketing in eine Form für das Jahr 2018 zu gießen, muss der Vertrieb erst einmal einen Plan haben. Weil der Vertrieb aber ebenfalls auf den Methoden der neunziger Jahre herumdümpelt, ist damit nicht so schnell zu rechnen.

Liebe Marketingverantwortliche: Wenn vom Vertrieb keine Impulse kommen und ihr langfristig eure Daseinsberechtigung behalten wollt, dann schaut euch baldmöglichst “Vergiss alles!” an und legt schonmal in die vorgegebene Richtung los. Der allüberall vorhandene Umsatzdruck wird den Vertrieb schon sehr bald in die dort beschriebene Struktur zwingen, dann seid ihr zumindest vorbereitet und werdet nicht aus heiterem Himmel getroffen.

“Vergiss alles!” ist bei KingKontent erschienen und wird exklusiv über Amazon vertrieben. Einführungspreis für die Ebook-Version ist EUR 3,99

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