Google’s dunkle Seite

Google als Unternehmen und Google als Geschäftsmodell sind in Presse und sozialen Medien nun schon ausreichend gedisst worden. Schließlich nutzt Google die Marktmacht als wichtigste Suchmaschine gnadenlos aus, um alle vom Internet abhängigen Player auf Linie zu trimmen. Wir haben in unserer losen Reihe über den Einfluss Googles auf den Internet-Markt bereits herausgestellt, dass das Google-Geschäftsmodell sich dabei selber befruchtet und am Leben erhält. Wenn nichts Einschneidendes passiert, wird Google daher auf lange Sicht Platzhirsch im Monetarisieren des Advertizing Real Estates bleiben. Für all diejenigen, die kein Marketingkauderwelsch verstehen: Google hat nicht nur die besten Methoden, um die auf Internet-Seiten verfügbare Werbefläche zu Geld zu machen, sondern auch ein System geschaffen, welches sicherstellt, dass dieses auch eine ganze Weile so bleiben wird.

Wir haben in der Auseinandersetzung mit dem Phänomen ‘Google’ herausgearbeitet, dass dieses Modell sowohl für den Internet-Surfenden als auch für den Internet-Werbetreibenden ideal ist. Es zwingt diejenigen, die gerne ‘ganz oben’ stehen wollen dazu, relevante Inhalte anzubieten, den sogenannten ‘Holistic Content’. Gleichzeitig sorgen die Algorithmen der Suchmaschine dafür, dass der Leser zuerst auf diejenigen Seiten gestoßen wird, die ihn auch wirklich interessieren – Google kennt also den ‘User Intent’. Da sich diese beiden Begriffe auch noch reimen, haben wir gleich mal einen Song in Auftrag gegeben.

Diese heilige Allianz aus User Intent und Holistic Content führt zwar über kurz oder lang zur Internet Filter Bubble, wie wir geschildert haben, doch ist dies nur ein kleiner Fleck auf dem sonst makellosen Image der ganzen Sache.

Haben wir hier Logiker unter uns? Wenn ja: die werden also bemerkt haben, dass Google – wie der Titel dieses Beitrags schon andeutet – nur böse sein kann, wenn es die eigenen Regeln verlässt, und anderen Interessen dient. Damit ist nicht gemeint, dass man durch kräftiges Bezahlen auf relevanten Content verzichten kann, und dennoch ganz oben stehen in der Google-Rangliste. Das gibt es schon lange, und es ist ein großer Goldesel für Google. Sondern wir meinen: wirklich ganz anderen Interessen zu dienen…

Hier kommt Dr. Robert Epstein ins Spiel, Gastdozent der University of California in San Diego. Aus einem eigentlich kleinkarierten Disput über Epsteins eigene Webseite, die von Google als ‘gefährlich’ gebrandmarkt war (das war sie wirklich!), entstand eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen ‘Google’. Dr. Epstein ist als Psychologe, Journalist und allgemeiner Nerd hervorragend geeignet, hier einen Blick unter die Motorhaube zu werfen, der anderen möglicherweise verborgen bleibt.

Epstein hat im Jahr 2015 erstmals im Fachblatt der amerikanischen National Academy of Sciences auf Unausgewogenheiten bei den Google-Suchergebnissen hingewiesen, insbesondere im Zusammenhang mit den kommenden US-Präsidentschaftswahlen. Epstein errechnete, dass einseitige Suchergebnisse rund 2,6 Millionen der ‘popular votes’, also der zahlenmäßig abgegebenen Stimmen, in eine bestimmte Richtung zu schieben in der Lage sind.

Als der Wahlkampf zur US-Präsidentenwahl im Jahr 2016 dann in vollem Gange war, traten wie vorhergesehen Unregelmäßigkeiten auf, und bald hatte Epstein ein System dahinter ausgemacht:

Google Suchergebnisse sind generell Pro Hillary Clinton. Wer Begriffe sucht zum Thema US-Wahl, beispielsweise “American Election”, erhält in der Box mit der Zusammenfassung, der sogenannten Google Answer Box, ein Foto von Hillary. Und zwar jedes Mal und ausschließlich Hillary.

Google Auto Suggests sind ebenfalls pro Hillary. Wenn man im Suchfenster ‘hillary’ eintippt, wurden Vorschläge gemacht: “hillary awesome”, “hillary good” und “hillary great”. Die eigentlich gängigste Verbindung “hillary” und “liar” suchte er vergebens. Auch der Begriff “crooked hillary” war nur weit unten in der Liste der Vorschläge zu finden. Dr. Epstein machte eine Gegenprobe auf Yahoo und Bing, und er fand dort “hillary liar” und “crooked hillary” ganz oben, wo sie eigentlich auch zu erwarten gewesen wären. Zum Schluss schuf er noch einen Begriff dafür: Search Engine Manipulation Effect. Großartig!

Julian Assange und Wikileaks hatten schon einige Jahre früher enge Verbindungen zwischen Google und der Regierung Obama aufgedeckt, namentlich vor allem zwischen dem Google-CEO Eric Schmidt und dem früheren Mitglied des US State Departments Jared Cohen, den Schmidt im Jahr 2010 schließlich angeheuert hat, ganz für Google zu arbeiten – als neuer ‘Director of Google Ideas’. Hohe Google-Vertreter, so zeigte sich, waren in den letzten vier Jahren der Obama-Administration im Schnitt wöchentlich als Besucher im Weißen Haus.

Wir konnten einige der von Epstein gefundenen Verzerrungen in der Redaktion wiederholen, nachdem wir über einen US-Proxy auf die Suchmaschine zugriffen. Direkt über unseren Provider funktionierte das übrigens nicht. Ob es an den Spracheinstellungen lag, oder tatsächlich regional begrenzt und gesteuert ist, haben wir nicht herausgefunden, das wollten wir letzten Endes auch gar nicht wissen.

Viele Leser werden jetzt denken: das ist doch gar nicht schlecht, es geht ja immerhin gegen Donald Trump! Dr. Epstein, selber auf Seite von Hillary Clinton, sagt allerdings sehr klar: ‘nope!’. Wir schließen uns dem an, da man Demokratie in dem Augenblick killt, in welchem man der Versuchung nachgibt, und das Wahlverhalten der Wähler mit technischen Kniffen zu manipulieren.

Facebook und Mark Zuckerberg haben in einer Studie aus dem Jahr 2012, die in Island durchgeführt wurde, eine ähnlich interessante Entdeckung gemacht. Testweise wurde am Wahltag ein zusätzlicher Button auf der Startseite angezeigt: “I’m voting!” – nebst der typischen Share-Funktionen. Durch diese kleine Änderung wurden tatsächlich einige Wähler motiviert, zur Wahlurne zu gehen, die sonst zuhause geblieben wären, angetrieben durch die Gruppendynamik ihres virtuellen Freundeskreises. Ein Anwachsen der Wahlbeteiligung um 0,6% durch diese Aktion konnte gemessen werden. Das klingt zwar nach nicht viel, hätte aber in USA durchaus reichen können, im Jahr 2000 Al Gore ins Präsidentenamt zu hieven, das dann schlussendlich an George W. Bush ging.

Angesichts der Leichtigkeit, mit der die Algorithmen in Facebook die Nutzer in politische Lager aufteilen und dann nur eins der beiden Lager mittels dieses Buttons pushen könnte, darf man auch hier die Stirne kraus ziehen.

Was sagen wir von KingKontent dazu? Wir halten es für Blödsinn, mit Regularien zu versuchen, Google oder Facebook an die Kandare zu nehmen. Auch würden wir jetzt nicht zu einem Boykott aufrufen. Vielmehr geben wir unserer Hoffnung Ausdruck, dass durch Bekanntwerden dieser Machenschaften noch mehr Aufklärung und Emanzipation stattfindet, dass die millionenschwere Userschaft noch schärfer aufpasst, sich innerlich zu festigen und Manipulationsversuchen standzuhalten.

Dies wünschen wir für alle.

Duh!

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